Die Ernsthaftigkeit, die uns im Künstlerportrait zu Vincent van Gogh begleitet hat, schütteln wir ab. Und tauchen ein in die Welt heiterer Formen und Farben von Joan Miró. Seine mitunter skurrilen, fantasievollen Kunstwerke sind weltbekannt. Besonders populär: Die fast magischen Zeichen für Sterne, Sonne, Mond, Augen, Frau und Vogel als wiederkehrende Elemente in Mirós Werken. Oft schwebend in seinem malerischen Raum, in dem alle Grenzen aufgehoben sind.
Wer war Joan Miró?
Joan Miró (1893-1983) war ein katalanischer Maler, Grafiker, Bildhauer und Keramikkünstler. Er zählt zu den einflussreichsten Vertretern des Surrealismus und der klassischen Moderne. Gleichzeitig macht sein experimenteller und sehr persönlicher Stil sein Werk ausgesprochen besonders. Er entwickelte eine kontrastreiche, strahlende Farbigkeit und eine unverkennbare Symbolsprache.
Und er ließ sich in keine Schublade stecken: Mit fantasievollen Formen und (Tier-)gestalten schuf Miró seine ganz eigene poetische Bildwelt. Viele seiner beliebtesten Werke sprühen vor unbeschwerter Lebensfreude, bildnerischer Ironie und fröhlicher Naivität. Im Gegensatz dazu war der Mensch Joan Miró ein grundsolider Mann, der unermüdlich und hart arbeitete.
Von anderen Künstler:innen wurde er bereits zu seinen Lebzeiten hoch geschätzt:
„Wenn Miró einen Punkt setzt, gelingt er ihm immer genau. In der Tat ist er ein Maler, der drei Farbflecke auf einer Leinwand lassen kann: sie sind da und damit auch ein Bild.“
– Der Künstler Alberto Giacometti im Jahr 1959
Leben
Joan Miró kommt am 20. April 1893 als Sohn eines Goldschmieds und Uhrmachers in Barcelona zur Welt. Schon als Kind entdeckt er seine Liebe für das Zeichnen. Auf Drängen seines Vaters macht er zunächst eine kaufmännische Ausbildung. Zusätzlich besucht er jedoch den Unterricht an der Kunstakademie La Llotja in Barcelona.
Nach einem unglücklichen ersten Jahr als Buchhalter entwickelt er eine schwere Typhuserkrankung. Seine Familie zieht mit ihm zur Erholung auf einen Bauernhof in Mont-roig del Camp in Katalonien. Endlich geben sie seinem Wunsch nach und erlauben ihm eine künstlerische Ausbildung zu beginnen. Miró darf sich an der Academia de Francesc Galí einschreiben, an der er von 1912 bis 1915 in Barcelona studiert. Zudem besucht Miró von 1913 bis 1918 die freie Zeichenakademie der Künstlervereinigung Cercle Artístic de Sant Lluc.
Er bewegt sich in der Künstlerszene, die sich in der Galerie von Josep Dalmau in Barcelona trifft. Der Kunsthändler wird zu seinem Förderer, Mirós erste Einzelausstellung in der Galerie hat jedoch keinen Erfolg.
1919 zieht es ihn das erste Mal in die Kunstmetropole Paris. In den folgenden Jahren lernt er hier Künstler und Schriftsteller wie Pablo Picasso, André Masson, Ernest Hemingway und Henry Miller kennen. Er bezieht ein Atelier in Paris, fühlt sich aber auch seiner katalanischen Heimat weiter sehr verbunden. So verbringt er meist den Winter in Paris und den Sommer in Mont-roig.
Durch André Masson lernt Miró 1924 mehrere Maler des Surrealismus kennen. Er schließt sich ihnen an und bildet zusammen mit André Breton, André Masson und Max Ernst eine surrealistische Künstlergruppe in Paris. 1925 findet seine zweite Einzelausstellung statt und er beteiligt sich an Surrealisten-Ausstellungen. 1927 wechselt Miró in ein Atelier am Montmartre, zu seinen Nachbarn zählen René Magritte und Max Ernst. Zwei Jahre später schließt sich Salvador Dalí auf Anregen Mirós den Pariser Surrealisten an.
Im Oktober 1929 heiratet Joan Miró die aus Palma de Mallorca stammende Pilar Juncosa Iglesias. Zunächst wohnt das Paar zusammen in Paris, 1930 wird ihre Tochter Maria Dolors in Barcelona geboren.
Mit Beginn des Spanischen Bürgerkriegs im Jahr 1936 verlässt Miró seine Heimat und lebt vier Jahre ausschließlich in Paris. Dort findet im Jahr 1937 die Weltausstellung statt. Für den spanischen Pavillion entwirft Miró sein heute als verloren geltendes Monumentalgemälde „Le faucheur“ (Der Schnitter). Hier stellt auch Picasso sein Werk „Guernica“ aus. Außerdem ist Miró mit seinen Arbeiten zum Beispiel im Museum of Modern Art in New York und in den New Burlington Galleries in London vertreten.
Während des Zweiten Weltkriegs geht Miró mit seiner Familie zurück nach Spanien. 1947 reist er erstmals in die Vereinigten Staaten und arbeitet in New York neun Monate an einem Wandbild für ein Hotel in Ohio.
Nach seiner Rückkehr nach Paris stellt Miró vorrangig Keramikskulpturen aus. Ab 1956 wählt er Mallorca als seinen festen Wohnsitz. In Cala Major bei Palma erfüllt sich der bescheidene Künstler seinen Traum von einer großen Werkstatt mit viel Platz für seine Ideen, Skulpturen und Leinwände.
1958 stellt er zwei monumentale Wandkeramiken für die UNESCO in Paris fertig. Sie markieren einen neuen Höhepunkt in seiner Karriere. Noch im selben Jahr erhält er den Guggenheim International Award und festigt seinen Ruf als Wegbereiter neuer Kunst.
Im darauffolgenden Jahr besucht Miró das MoMA in New York, das seine Werke in einer großen Retrospektive zeigt. 1960 arbeitet er zusammen mit dem befreundeten spanischen Künstler Artigas an einem Wandbild für die Harvard University.
In den nächste Jahren gestaltet Miró weitere Werke für den öffentlichen Raum, zum Beispiel eine Keramikwand für den Flughafen Barcelona. Gleichzeitig entwickelt er eine rebellische Haltung gegenüber der Kommerzialisierung der Kunst. Diese stellt er unter anderem in den siebziger Jahren in der Serie der verbrannten Leinwände bildlich dar.
Joan Miró gründet in dieser Zeit zwei Stiftungen in Barcelona und auf Mallorca. In Barcelona entsteht daraus das Fundació Joan Miró, das 1975 seine Eröffnung feiert. Miró selbst ließ das Museum von seinem Freund, dem Architekten Josep Lluís Sert bauen. Bis heute zeigt es die Werke zeitgenössischer Künstler sowie die weltweit größte Sammlung von Joan Mirós Arbeiten.
Die Stiftung auf Mallorca initiiert Miró als die Insel beginnt sich zur Touristenhochburg zu entwickeln. Aus Angst, dass sein kreatives Umfeld in Vergessenheit gerät, übergibt er einen Teil seines Besitzes als Schenkung an die Stadtverwaltung von Palma. In Folge der Schenkung wird 1981 die Stiftung Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca gegründet.
Am 20. April 1983 feiert die Kunstszene den 90. Geburtstag von Joan Miró mit einer weltweiten Reihe von Ausstellungen, Publikationen und Ehrungen. Auch die 22 Meter hohe Monumental-Skulptur „Frau und Vogel“, mit der die Stadtverwaltung von Barcelona Miró zwei Jahre zuvor beauftragt hatte, wird zu diesem Anlass offiziell eingeweiht. Am 25. Dezember 1983 stirbt Joan Miró in Palma de Mallorca. Vier Tage später wird er im Familiengrab in Barcelona beigesetzt.
Das künstlerische Werk von Joan Miró
Zu Beginn seines Schaffens lässt sich Joan Miró von der Volkskunst und der katalanischen Traditionsmalerei leiten. Er malt Stillleben, Portraits und Landschaften. Bald zeigen sich in seinem Frühwerk die gebrochenen Formen des Kubismus und die leuchtenden Farben des Fauvismus. Beide sind zu dieser Zeit populäre Kunststile.
1921/22 entsteht in Mont-roig und Paris mit dem Werk „La ferme“ („Der Bauernhof“) die Grundlage und der Schlüssel für seine persönliche künstlerische Entwicklung. Er malt das Bauernhaus, in dem er aufgewachsen ist. Das kaleidoskopartige Ölgemälde sprüht nur so vor Details und fängt ein, was Miró ein Leben lang inspiriert. Es begleitet ihn als ständige Erinnerung an seine Herkunft als er nach Paris geht. Und es verbindet seine katalanischen Wurzeln mit einer modernen Formendarstellung.
In den 20er Jahren wendet er sich in Paris weiter von der realistischen Malerei ab. Er schließt sich den Surrealisten an und verwendet Elemente des Dadaismus. Immer mehr verschwindet der Bezug zum Gegenständlichen zugunsten von ausdrucksvollen Farben, Linien, Zeichen und Symbolen.
Die Elemente beginnen in seinen Bildern optisch zu schweben und vollziehen fantasievolle Metamorphosen. Die reduzierten, abstrahierten Gestaltungen kommen ohne Perspektive aus. Miró schafft einen völlig freien malerischen Raum, in dem er die Wirklichkeit mit dem Imaginären verheiratet.
Die Werke Mirós sind mittlerweile weniger kleinteilig, oft zeigen sie große Farbflächen. Er versucht, die herkömmlichen Ansätze der Bildgestaltung zu überwinden. Anfang der 30er Jahre durchlebt er eine künstlerische Krise. Tatsächlich stellt er sein Schaffen bis zu seinem Tod immer wieder in Frage. Das führt ihn zum ersten Mal weg von der Malerei und er widmet sich nun vermehrt Collagen, Radierungen und Lithografien.
In den Jahren 1940 und 1941 entsteht die Serie „Constellations“ (im Deutschen wird neben „Konstellationen“ auch oft die Bezeichnung „Sternbilder“ verwendet). Sie umfasst insgesamt 23 kleinformatige Gouachen, die Miró mit Sternen und anderen figurativen Elementen im All-Over-Stil bevölkert hat. Die fantasievollen Kompositionen zählen zu seinen zentralen Werken. Sie werden als erste europäische Bilder nach dem Zweiten Weltkrieg in New York gezeigt und sorgen in Amerika für großes Aufsehen.
Joan Mirós Arbeiten aus den 1940er und 1950er Jahren festigen seine weltweite Bekanntheit. Sie zeigen eine heitere, mitunter skurrile Kunstsprache. Bevor er 1960 die Malerei wieder aufnimmt, erstellt er über mehrere Jahre ausschließlich Keramikarbeiten. Nach seiner Rückkehr zum Malen schafft er eines seiner eindrücklichsten Werke: Das Triptychon Bleu I-III ist ein dreiteiliges Gemälde, von dem jedes für sich mehr als 3 Meter Länge und 2 Meter Breite misst. Auf visuell eindrucksvollen, monochrom blauen Farbflächen setzt Miró nach eigener Aussage mit der „Besonnenheit der Gebärde eines japanischen Bogenschützen“ minimalistische Zeichen, Pinselstriche und Punkte.
„Für mich ist es wichtig, ein Maximum an Intensität mit einem Minimum an Aufwand zu erreichen. Daher wird die Leere in meinen Bildern immer wichtiger.“
– beschreibt Joan Miró schon einige Jahre zuvor.
Er befreit sich von der Last alter Traditionen, um neu zu erfinden, was die Essenz der Malerei ausmacht: Form und Farbe.
Joan Miró gilt als einer der wichtigsten Vertreter des abstrakten Surrealismus im 20. Jahrhundert. Vor allem aber geht er durch seinen unverwechselbaren Stil und seine enorme Ausdruckskraft, die er mit entwaffnend einfachen Mitteln erreicht, in die Geschichte ein.
Joan Miró erleben – Eine kleine Europa-Tour
Obwohl Miró in erster Linie als Maler gesehen wird, umfasst sein weitgespanntes künstlerisches Werk noch viel mehr als seine Bilder. Besonders in seiner späten Schaffenszeit arbeitet er an unzähligen – zum Teil monumentalen – keramischen Kunstwerken und Skulpturen.
Viele von ihnen stehen bis heute im öffentlichen Raum, sodass Ihr sie ohne Eintrittsgebühren besuchen könnt:
Die Miró-Wand in Ludwigshafen
Wir starten in Ludwigshafen. Dort steht die Miró-Wand, die mit 55 Metern Länge und 10 Metern Höhe zu seinen Werken mit den größten Ausmaßen zählt. Das Wandbild ist das Wahrzeichen des Wilhelm-Hack-Museums, dessen Betreiber es bei Miró beauftragte. Der Entwurf des Künstlers wurde auf nicht weniger als 7200 Keramikfliesen übertragen, aus denen die Wand Ende 1979 fertig gestellt wurde.
Immanuel Giel, Public domain, via Wikimedia Commons
„Deux personnages fantastique“ in Paris
Miró lebte lange Zeit in der Kunstmetropole und bis heute sind einige Werke von ihm dort zu sehen. Das Duo der fantastischen Figuren zum Beispiel steht in La Défense und markiert heute den Eingang des Westfield Les 4 Terms, dem Haupteinkaufszentrum des Viertels. Die Skulptur aus Polyesterharz wurde 1977 installiert, ragt 12 Meter in den Himmel und fasziniert mit fantasievollen Formen und leuchtender Farbigkeit.
„El ataque del Miró Godzilla“ von Inti unter der Lizenz Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0) via Flickr
Keramikwand in Palma de Mallorca
Der „Parque del Mar“ ist ein Park in der Altstadt von Palma auf der Insel Mallorca. Die ursprüngliche Gartenanlage wurden von Joan Miró und dem Städteplaner Josep Lluís Sert i López gestaltet. Auch heute ist sie ein wunderschöner Ort mit tollen Ausblicken auf das Meer und die mächtige Kathedrale von Palma. Das Areal beheimatet eine Reihe von Arbeiten verschiedener Künstler. Das Highlight ist zweifelsohne ein großes Keramik-Wandbild von Joan Miró selbst, das er seinem Enkel David Fernández Miró gewidmet hat.
Tipp: Wenn Ihr auf Mallorca seid, dann lohnt auch ein Ausflug nach Cala Major. Hier könnt Ihr Mirós ehemaliges Atelier besuchen, das heute noch fast genau so aussieht, wie zu der Zeit, in der der Künstler in ihm arbeitete.
„Dona i Ocell“ in Barcelona
Auch die bereits erwähnte, 22 Meter hohe Monumentalskulptur „Dona i Ocell“ („Frau und Vogel“) ist öffentlich zugänglich. Sie steht im Parc de Joan Miró und gehört zu einer dreiteiligen Serie von Kunstwerken in Barcelona. Miró schuf sie, um Besucher auf dem See-, Luft- und Landweg in seiner Geburtsstadt willkommen zu heißen.
Diese kleine Auswahl steht an dieser Stelle beispielhaft für viele weitere Werke Joan Mirós im öffentlichen Raum. Und natürlich zeigen auch eine Menge Museen seine Bilder und andere Arbeiten. Die weltweit größte Sammlung mit mehr als 14.000(!) Werken befindet sich im Fundació Joan Miró in Barcelona.
Konntet Ihr selbst auf Reisen schon mal einen echten Miró bestaunen?