„Du kannst zeichnen!“ ist der Titel von Tabea Heinickers neuem Buch, das im Haupt Verlag erschienen ist. Die Autorin hat durch ihre langjährige Erfahrung aus dem Zeichenunterricht mit Grundschulkindern ein sehr einfach nachzuvollziehendes Konzept zum Zeichnen (lernen) entwickelt, das sie in diesem Buch zu Papier gebracht hat. Wir freuen uns, dass Tabea unserer Intervieweinladung gefolgt ist, um das Buch ein bisschen näher vorzustellen. In dem kurzweiligen Gespräch haben wir unter anderem über Einfachheit und Selbstannahme gesprochen und selbstverständlich auch über Papier. Damit nicht genug – wir haben auch noch ein Gewinnspiel für Euch vorbereitet. Ihr seht also, das solltet Ihr nicht verpassen!
Tabea, wie ist die Idee zu diesem neuen Buch entstanden? Was gab den Impuls und was war das Anliegen?
Ich übernahm den Zeichenkurs vor vielen Jahren spontan. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keine Erfahrungen mit dem Unterrichten von Grundschulkindern gesammelt. Da ich kein geeignetes Sachbuch fand, um den Kindern Beispiele zu zeigen, trug ich viele Kunstbände und Zeichenbücher für Erwachsene in die Schule. Tatsächlich träumte ich schon im ersten Kurs davon, ein eigenes Buch zu gestalten, das anfängerfreundlich und inspirativ ist. Ich freue mich, wenn ich heute höre, dass Lehrende ihren Unterricht mithilfe meines Buches gestalten.
Schon in der ersten Zeichenstunde bemerkte ich, dass ein gutes Konzept notwendig war. Denn wenn die Kinder frei wählen konnten, zeichneten sie sehr klischeehaft. Auf den Blättern der Mädchen tummelten sich Delfine und Regenbögen, die Motive der Jungs waren Raketen und Dinos. Ich fragte mich, wie es gelingen könnte, die Kinder aus diesen Schubladen zu befreien. Wie sollten sie sich künstlerisch entwickeln, wenn sie glaubten, es gäbe typische Jungs- und Mädchenmotive? Also erinnerte ich mich an meinen Zeichenunterricht während der Ausbildung. Die Grundidee war, reale Gegenstände abzuzeichnen.
Die Steigerung der Kinder von der ersten zur zweiten Stunde war so groß, dass ich viel Potenzial darin sah, weiterhin mit Stillleben zu arbeiten. Die Zeichnungen waren wunderschön und individuell künstlerisch, ich war angetan und begeistert. Relativ schnell stand für mich fest, dass ich diese Erkenntnis gern weitergeben möchte. Ich begann, den Unterricht fotografisch zu dokumentieren, um die Stimmung und die entstandenen Zeichnungen festzuhalten.
Die Kinder mussten nicht viel üben, um gut zu zeichnen. Sie zeigten von Anfang erstaunliche Fähigkeiten! Sie brauchten nur einen gewissen Rahmen, um ihre Fähigkeiten zeigen zu können. Der Fokus lag auf dem individuellen Strich. Jeder Mensch hat einen Charakterstrich, den er einfach nur entdecken muss. Wir beobachteten ein Objekt genau und zeichneten das, was wir sahen. Wir vertrauten unserer Hand und nahmen unseren eigenen Stil an. Im Grunde eine sehr zugängliche Herangehensweise für Anfänger:innen.
Das heißt, eigentlich beschränkt sich das Buch auf gar keine bestimmte Altersgruppe?
Meine Erfahrungen, die in das Buch eingeflossen sind, habe ich mit Kindern im Alter zwischen 9 und 11 Jahren gesammelt. Und auch die Werke im Buch stammen ausnahmslos von Kindern. Das Prinzip lässt sich auf alle Altersklassen anwenden. Deshalb richtet sich dieses Buch an Personen zwischen 9 und 99 Jahren, die den Wunsch haben, ihren eigenen Zeichenstil zu entdecken.

Erwachsene Anfänger sind eingeladen, eine kindlich-unbekümmerte Motorik (wieder) zu entdecken. Im Mittelpunkt steht, ein Vertrauen in sich selbst zu entwickeln. Zeichnen hat sehr viel mit Selbstannahme zu tun. Denn es geht nicht darum, wie Leonardo da Vinci zu zeichnen, sondern darum, den eigenen Weg zu entdecken. Es war schön zu beobachten, wie unbedarft und frei die Kinder an das Zeichnen herangingen. Diese positive Atmosphäre und Lebendigkeit spiegelt das Buch gut wider. Sowohl Kinder als auch Erwachsene fühlen sich nicht von allzu perfekte Beispielen entmutigt. Sie sehen, dass die Arbeiten von Kindern sind und können sich dann besser vorstellen, dass sie das auch schaffen.
Neben zeichnerischen Grundlagen gehst Du auch auf Materialien ein. Was ist Dir in dem Zusammenhang wichtig? Hast Du diesbezüglich Tipps?
Ein weicher Bleistift und ein Blatt Papier – mehr braucht es nicht für eine gute Zeichnung.
Es ist wichtig, dass wir uns nicht von all den materiellen Möglichkeiten ablenken lassen, die uns im Künstlerbedarf begegnen. Nicht die hochwertige Ausstattung ist entscheidend, sondern der Moment, in dem wir beginnen zu zeichnen.

In meinen Kursen haben wir mit günstigen Wasserfarben, einem 3B-Bleistift und einem Aquarellpinsel der Stärke 3 oder 4 gearbeitet. Als Papier eignet sich jedes Aquarellpapier. Eine gewisse Festigkeit ist hilfreich, da die Zeichnungen nass koloriert werden.
Einfache Materialien senken die Hemmschwelle, mit dem Zeichnen zu beginnen. Je hochwertiger und kostspieliger ein Papier ist, desto mehr wünschen wir uns auch, dass darauf etwas Besonderes entsteht.
Unterbewusst schwingt die Befürchtung mit, das kostbare Papier zu „versauen“. Das kann einschüchtern und den Start erschweren.
Die eigentliche Qualität liegt im Machen!
Weniger ist demnach also mehr, wie sieht es mit der Auswahl der Materialien fürs Zeichnen aus? Worauf sollte man hier Deiner Meinung nach achten?
Ich empfehle gern, einfache Materialien zu verwenden und und ihnen eine Weile treu zu bleiben. So ist es möglich, zu lernen, wie sie funktionieren. Wenn du deine Farben kennst und weißt, wie sie reagieren und sich beim Mischen verhalten, gewinnst du Vertrauen und Übung. Jedes Mal, wenn das Werkzeug gewechselt oder erweitert wird, muss sich wieder neu darauf eingestellt werden. Es kann frustrierend sein, wenn Techniken, die bereits gut gelingen, plötzlich nicht mehr funktionieren, weil neue Farben, Pinsel oder Papiere anders als gewohnt reagieren.


Auf dem rechten Bild mit der Abbildung aus dem Buch ist auch das originale Aquarellpapier Da Capo zu sehen, auf dem die kolorierte Zeichnung entstanden ist. Es hat eine grob gekörnte, raue Oberfläche und ist für Verläufe sehr gut geeignet.
Es ist okay, günstige Wasserfarben zu verwenden und sich damit gut auszukennen. Es können tolle Werke entstehen! Effektvoll kann ein Aquarellpapier sein, dass eine raue Oberfläche hat und die feuchten Farben schön verlaufen lässt. Fang ruhig mit dem an, was vorhanden ist, und lege dir nach und nach mehr Werkzeug und Material zu.
Das Buch liefert auch eine große Vielfalt von Themen, vom Objektzeichnen bis hin zum Zeichnen in der Natur. Nach welchen Kriterien hast Du die Themen gewählt und wie hast Du sie aufbereitet?
In all den Jahren gab es viele Kurse mit unterschiedlichen Kindern. Ich habe die Inhalte an die Aufmerksamkeitsspanne der jeweiligen Gruppen angepasst. Da ich in einem Buch anders präsent bin, als in einem Echtzeitkurs, habe ich mir für das Buch eine aufbauende Struktur ausgedacht. Wir beginnen mit einfachen Objekten, die wir einzeln entdecken und zeichnen. Von Kapitel zu Kapitel steigern wir uns. Nach den einfachen Objekten, wie zum Beispiel ein Apfel oder eine Birne, stellen wir Objektgruppen zusammen. Werkzeuge, Alltagsgegenstände oder Gemüse, werden frontal auf das Papier gezeichnet. Schließlich beschäftigen wir uns mit dem Aufbau einfacher und komplexer Stillleben und lernen etwas über die verschiedenen Ebenen in einem Bild.




Recht weit hinten im Buch begeben wir uns in die Natur, denn nun haben wir uns das Können und Wissen angeeignet, um in der Fülle der Natur nicht überfordert zu sein. Es finden sich Ideen zum Arrangieren von Naturgegenständen und unterschiedliche Techniken zum Zeichnen und Kolorieren. In diesem Buch bleiben wir konsequent beim Thema, im Zentrum steht die Bleistiftzeichnung, die koloriert wird. In jedem Kapitel gibt es neue Aspekte und Hinweise, wie man den persönlichen Zeichenstil verbessern kann.
Du hast ja fachlich einen wahnsinnig breiten wie tiefen Hintergrund. War es sehr schwierig, das richtige Maß zu finden, wieviel man davon in das Buch einfließen lässt?
Die Fantasie ging hin und wieder mit mir spazieren, und dabei flogen mir immer mehr Ideen entgegen, die ich gern im Buch mit aufgegriffen hätte. Denn rund um das Thema »Zeichnen mit dem Bleistift«, gruppieren sich viele weitere Techniken, die ich hätte erwähnen und ausbauen können. Doch mein Anliegen war es, nah am einfachen Kern zu bleiben. Das Buch behält von der ersten bis zur letzten Seite seinen Fokus und beleuchtet diesen bis ins Detail.
Viele Fragen und Herausforderungen aus 13 Jahren Unterricht finden ihren Platz – ebenso wie Raum für Ermutigung. Es war mir wichtig, möglichst wenig zu fachsimpeln, somit verzichte ich auf seitenlange Einführungen zum Thema Material und es kommen wenige Fachbegriffe vor. Es geht hier fokussiert darum, ins Machen zu kommen und sich nicht von einem akademischen Gehabe ablenken zu lassen. Jede Person soll schnell einen Einstieg finden, mit einfachen Mitteln ins Zeichnen kommen und die Freude an der eigenen Schaffenskraft entwickeln.

Ja, es ist mir manchmal schwergefallen, nicht abzuschweifen und tiefer in die Gestaltung mit Farbe einzutauchen. Auf Farbsysteme näher einzugehen oder den Simultankontrast zu erklären, hätte meine Leser und Leserinnen nicht schneller in einen kreativen Schaffensprozess gebracht. Während meiner Ausbildung hatte ich oft das Gefühl, wir verstecken uns gern hinter wissenschaftlichen Erklärungen, in der Hoffnung, bessere Künstler:innen zu werden – was ein Trugschluss ist.
Es ist ein authentisches Buch entstanden, das verdeutlicht, dass es beim Zeichnen nicht um Perfektion geht, sondern um den persönlichen Stil. Mein Wunsch war es, statt Schritt-für-Schritt-Anleitungen zum Zeichnen eines Objekts, ein Prinzip zu vermitteln, das verdeutlicht, wie das Wesen des Zeichnens funktioniert. Dafür musste ich die Abläufe visualisieren, die vom Betrachten des Motivs zur fertigen Zeichnung führen. Das war oft eine Herausforderung: Wie fange ich überhaupt an? Wie kommt der erste Strich auf das Papier? Wann merke ich, dass ich fertig bin? Ich habe mich in jeden Schritt hineinversetzt und ihm Raum im Buch gegeben.
Wir sagen Tabea herzlich „dankeschön“ für den Austausch und die spannenden Einblicke rund um ihr neues Buch. Ebenfalls bedanken wir uns beim Haupt Verlag, der uns ein Exemplar von „Du kannst zeichnen!“ für unser Instagram Gewinnspiel zur Verfügung gestellt hat.
Zusammen mit dem Buch verlosen wir ein großes Papierpaket. Das Gewinnspiel startet am 13.06.2025 und endet am 16.06.2025 um 15 Uhr.
Über die Autorin

Tabea Heinicker hat an der Bauhaus-Universität Weimar Visuelle Kommunikation studiert. Sie arbeitet als selbständige Designerin. Ihre große Liebe zum Handgemachten bringt sie in kalligrafischer, typografischer und zeichnerischer Form sowie unzähligen weiteren kreativen Techniken zum Ausdruck.
Verfolgen könnt Ihr Tabeas kreatives Schaffen
auf Ihren Webseiten sowie auf Instagram:
Home – Tabea Heinicker
Tablog – Tabea Heinicker
@tabeaheinicker
Ihr erstes Buch „Schöne Post“ haben wir hier
im Blog auch vorgestellt.