Wenn man zum ausgewählten Kreis der Designer:innen zählt, die zu den Gestaltungswettbewerben für Briefmarken vom Bundesfinanzministerium eingeladen werden, ist das ja schon etwas, dass man sich auf die Fahne schreiben kann. Luzia Hein konnte in diesem Jahr sogar einen Wettbewerb um die Gestaltung einer Sondermarke für sich entscheiden. Ihr eingereichter Entwurf zur Vollversammlung des ökumenischen Rats der Kirchen ist seit einigen Wochen deutschlandweit als Briefmarke erhältlich.
Wir haben Luzia zum Interview getroffen. Sie erzählt uns, wie sie zur Briefmarkengestaltung gekommen ist und erklärt die Besonderheiten und Herausforderungen, die sie an Designer:innen stellt. Denn so klein die Marke, so groß das Publikum, dass sie später in den Händen hält. Also, Augen auf für wertvollen Input bei der Arbeit mit kleinen Formaten (und großer Zielgruppe). 🙂
Luzia, erzähl doch mal – was ist Dein Background? Wie sah Dein Werdegang als Designerin aus?
Ich habe meinen Bachelor in Kommunikationsdesign an der FH Mainz gemacht und bin danach für meinen Master nach Hamburg gegangen. In Mainz habe ich mich vor allem mit Buchgestaltung und Editorial Design beschäftigt. Als ich dann nach Hamburg kam hatte ich Lust neue Disziplinen auszuprobieren. Während des Masterstudiums habe ich meine Leidenschaft für Schriftgestaltung entdeckt und auch das erste Mal Arbeiten für den Raum entworfen. Nach dem Studium habe ich zunächst zwei Jahre in Festanstellung beim Hamburger Handtaschenlabel Chi Chi Fan gearbeitet und Anfang 2020 habe ich mich dann als Grafik Designerin selbstständig gemacht.
Eines der ersten Projekte von Luzia Hein in der Selbstständigkeit war der Color Combination Calendar, ein Abreißkalender bestehend aus 55 Karten mit einer wöchentlichen saisonalen Farbkomposition. Bilder © Luzia Hein.
Wie würdest Du Deinen heutigen Stil beschreiben? Für welche Projekte schlägt Dein Herz ganz besonders?
Die meisten meiner Arbeiten verbindet eine reduzierte Formensprache, Freude an Farbkombinationen und Gespür für Typografie. Besonders schön ist natürlich, wenn man genau aufgrund dieses Stils angefragt wird. Eine tolle Zusammenarbeit war beispielsweise mit der Berliner Möbelfirma Loehr, für die ich grafisch reduzierte Illustrationen von sechs Möbelstücken entworfen habe.
Grafische Interpretationen von Möbelstücken für das Berliner Label Loehr. Die reduzierte Formensprache der Möbel und die Freude an Farbkombinationen finden sich in den Illustrationen von Luzia Hein wieder. Bilder © Luzia Hein.
Außerdem finde ich es interessant meinen Arbeitsbereich über Plakate, Bücher und klassische Printmedien hinaus zu erweitern und beispielsweise im Raum oder mit Textil zu arbeiten, wie ich es im Rahmen meiner Masterarbeit „Linie zu Fläche“ getan habe.
„Linie zu Fläche“ wendet grafische Muster in einem räumlichen Kontext an. Die geometrischen Kompositionen der Wandarbeiten basieren auf einem modularen System, das frei kombiniert werden kann. Im Rahmen der Arbeit entstanden vorab diverse Studien, bei denen grafische Muster auf verschiedene Medien, wie Textilien, übertragen wurden. Bilder © Luzia Hein.
Und wie bist Du zur Briefmarkengestaltung gekommen?
Das Thema Briefmarken fasziniert mich schon seit Kindheitstagen, mein Großvater hat Briefmarken gesammelt und mit sechs Jahren habe dann auch ich mein eigenes Album angelegt.
Zu Beginn der Selbstständigkeit habe ich mir überlegt für welche Kunden ich gerne arbeiten würde, was meine Wunschjobs wären. Darunter war auch eine Briefmarke zu gestalten und so habe ich recherchiert, was man dafür tun muss. In Deutschland gibt es ein offenes Verfahren und man kann als Gestalter:in sein Portfolio beim Bundesministerium der Finanzen einreichen, das die Wettbewerbe zur Gestaltung von Briefmarken ausschreibt. Ich konnte mit meinen Arbeiten überzeugen und wurde in den Pool der ausgewählten Designer:innen aufgenommen, die regelmäßig zu Wettbewerben eingeladen werden. Das war im Sommer 2020, seitdem habe ich bereits an fünf Wettbewerben teilgenommen.
Zwei Entwürfe von Luzia Hein für den Wettbewerb zum Thema „100 Jahre Deutscher Tanzsportverband“. Bilder © Luzia Hein.
Was sind die Besonderheiten bei der Gestaltung von Briefmarken?
Zum einen natürlich die Größe. Eine Briefmarke zu entwerfen ist aufgrund des kleinen Formats eine Herausforderung. Doch genau darin liegt für mich auch der Reiz, auf wenig Raum eine Botschaft visuell prägnant darzustellen. Häufig ist es so, dass man den Entwurf auf dem Monitor des Computers gelungen findet, doch dann beim ersten Ausdruck in Originalgröße sieht, dass noch Verbesserungsbedarf besteht. Man muss einen Weg finden, das Motiv zu abstrahieren und für die Betrachter:innen schnell verständlich zu machen.
So klein die Briefmarke auch ist, so erreicht sie doch ein wirklich großes und diverses Publikum…
Genau, das ist ein Aspekt, der mich besonders begeistert. Briefmarken sind Gestaltung für alle. Die Arbeit erreicht nicht nur eine bestimmte Zielgruppe, wie es in meinem Beruf oft der Fall ist, sondern man gestaltet ein Objekt, das in ganz viele Hände kommt. Angesichts des breiten Publikums können Briefmarken auf gesellschaftlich relevante Themen aufmerksam machen, wie beispielsweise auf Organspende oder Telefonseelsorge, zwei Themen, zu denen dieses Jahr eine Sondermarke erschienen ist.
Was ist außerdem besonders bei der Briefmarkengestaltung?
Schön ist, dass man bei der Umsetzung des Themas ganz frei ist. Die Einladung zum Wettbewerb enthält zwar viele konkrete Vorgaben, wie beispielsweise zum Markenformat, allerdings keine Gestaltungsrichtlinien, sodass man komplett frei ist, wie man das Thema darstellen möchte. Die gestalterischen Mittel dürfen selbst gewählt werden, egal ob Zeichnung, Fotografie oder Typografie.
Und wie gehst du an so eine Aufgabe ran? Gibt es einen Stil oder ein Mittel, dass du am liebsten verwendest?
Bei jedem Wettbewerb überlege ich mir, wie man das Thema möglichst reduziert und schnell verständlich darstellen kann. Bei meinem ersten Wettbewerb zum Thema „100 Jahre Deutscher Tanzsportverband“ habe ich beispielsweise den Begriff Tanz mit Mitteln der Typografie illustriert. Schwünge, Drehungen, Wiederholungen und die Bewegung einzelner Körperteile habe ich übersetzt in geometrische Formen, die sich als Bestandteile eines Schriftzugs formieren.
Das Thema Organspende habe ich in Form einer Lineatur, die sich im Zentrum zu einem Herzen verbindet, dargestellt. Da aber bei den Briefmarken Wettbewerben jeweils nur der erstplatzierte Entwurf gedruckt wird, wurden diese beiden Entwürfe nicht realisiert.
Aber beim Thema „Vollversammlung des ökumenischen Rats der Kirchen“ hat dein Entwurf den ersten Platz belegt…
Richtig, das ist meine erste veröffentlichte Briefmarke! Auch bei der Gestaltung dieser Marke kann man meinen grafischen Stil gut wieder erkennen. Zu sehen ist das Symbol der Ökumene: Ein Boot mit dem Kreuz als Mast, das aneinander gereiht auf Wellen schwimmt. Jedes Boot hat eine andere Farbe und ist dicht an dicht angeordnet, so dass sich das Wasser jedes Symbols in der Reihe als Fluss oder Meer fortsetzt. Die Briefmarke ist auch als Zehnerbogen erhältlich und so setzt sich die Reihung der Boote auch über den Rand der Briefmarke auf dem Bogen fort.
Die Sondermarke zur Vollversammlung des ökumenischen Rats der Kirchen von Luzia Hein auf einer herbstlichen Vibrant Earth Farbpalette aus Colorplan Briefumschlägen und Crush Cocoa, sowie auf Papieren und Hüllen aus der Very Peri Farbwelt.
Die bunte Farbigkeit der Boote verbildlicht Diversität und zeigt die Vollversammlung als internationales Event mit Teilnehmer:innen von allen Kontinenten. Es ist ein tolles Gefühl, die Briefmarke im Einsatz auf vielen Briefen zu sehen. Ich freue mich auch immer über Bilder von Briefen mit meiner Marke, die mir jemand zuschickt.
Herzlichen Dank für diese spannenden Einblicke, Luzia! Verrätst Du uns noch, was Deine nächsten Pläne sind?
Ein Thema, dass mir viel Freude bereitet, ist die Suche nach passenden Farbkombinationen. In den letzten beiden Jahren habe ich einen Wochenkalender gestaltet und über meinen eigenen Shop verkauft – den Color Combination Calendar. Jetzt will ich mein Sortiment von Papierwaren und Prints in meinem Shop erweitern, es lohnt sich also vor Weihnachten noch mal vorbeizuschauen.
Über Luzia Hein
Luzia Hein ist Grafik Designerin und Art Direktorin mit Sitz in Hamburg. Ihre Arbeiten sind geprägt durch eine minimalistische Formensprache und leuchtende Farben. Corporate Design und Type Design bereiten ihr ebenso viel Freude wie die Übertragung von Ideen in einen räumlichen Kontext oder auf Textilien.
2019 wurde sie vom Rat für Formgebung als Newcomerin beim German Design Award ausgezeichnet, seit 2020 gehört sie zu den ausgewählten Designer:innen, die in Deutschland Briefmarken gestalten.
Webseite luziahein.com
Shop shop.luziahein.com
Instagram instagram.com/luziahein
Portraitbild © Charlotte Schreiber.